Witzenhäuser Konferenz 2018
Die ganze Palette- Biologische Vielfalt als Stärke der ökologischen Landwirtschaft
Workshop: Vielfalt schmeckt
Vielfalt schmeckt
Kochworkshop mit Karin Depner
Im Kochworkshop „Vielfalt schmeckt“ sollten die Teilnehmenden aktiv werden und aus alten Gemüse- und Getreidesorten u.a. mit Herbstrübe, Haferwurz, gelben Rüben und verschiedenen Kartoffelsorten
vielfältige, leckere und gesunde Speisen zubereiten. Die Workshopleiterin Karin Depner reiste mit 30kg Gemüse im Gepäck aus ihrer regionalen Biolandwirtschaft zur Witzenhäuser Konferenz an. Für
den Workshop fanden sich die 14 Teilnehmenden in der Lehrküche der Berufsschule Witzenhausen zusammen. Dort angekommen gab Karin Depner zunächst einen Überblick über die Qualität und Herkunft der
Zutaten, welche in der Küche bereitlagen: Ausschließlich biologisch angebautes Obst und Gemüse der Jahreszeit und der Region, sowie kaltgepresste regionale Öle wie Sonnenblumenöl und
Kürbiskernöl. Für die Gebäcke mahlten die Teilnehmenden das Getreide mit einer Fidibus- Getreidemühle frisch. Hier benutzten sie alte Getreidesorten wie Ur- Dinkel (Oberkulmer Rotkorn) aus der
Demeter- Landwirtschaft Schneinder-Hof, Einkorn, Emmer und Gerste vom Bioland- Bauern Weller aus Erlangen und das uralte Getreide Kamut („Seele der Erde“) vom Bioland- Bauern Schaller.
Nach einer kurzen Einführung von Karin Depner suchten sich die Teilnehmenden des Workshops in 2er Gruppen jeweils eines der ausliegenden Rezepte aus und begannen an den vorbereiteten
Arbeitsplätzen sofort mit der Zubereitung. Dabei wurden sie von einem Filmteam der „hessenschau“ aufgenommen.
Folgende Rezepte waren vorbereitet:
– Frischkorngericht aus gekeimten Ur- Dinkelkörnern, mit Apfel, Zimt, Sahne und Mandarinen (die Dinkelkörner wurden schon 3 Tage vorgekeimt)
– Lasagne mit selbstgemachtem Nudelteig aus Kamut, Gemüse und Sahne- Bechamel- Soße mit Muskatnuss
– Rote Beete- Kokossuppe (Kokosflocken) mit wärmenden Gewürzen wie Koriander, Galgant, Chili, sämig gemacht mit fein gemahlenem Naturreis und Sahne, püriert.
– Ein saisonaler Gemüseeintopf, mit in Olivenöl angebratenen Gewürzen wie Ingwer, Kurkuma, Bockshornklee und Kreuzkümmel, mit Wurzelgemüse, Kürbis, Rosenkohl.
– Bratlinge aus vorgekochter Hirse- Buchweizen- Mischung und Gemüse, wobei das Verhältnis von Getreide zu Gemüse 1:3 beträgt. Durch diese Mischung entstehen würzige, saftige Bratlinge. Sie werden
in Semmelbrösel/Sesam gewendet und können im Backofen auf dem Blech in größeren Mengen gebacken werden.
– Fladenbrot aus Dinkel- Hefeteig,
– Knäckebrot aus Einkorn, außerdem etwas Butter, Salz und Sesam
– Weihnachtsplätzchen aus Emmer (alte Weizenart), Ausstechteig, welche nach dem Backen mit Marmelade aus getrockneten Aprikosen (in wenig Wasser eingeweicht und püriert, mit Zitronensaft und Zimt
abgeschmeckt) bestrichen und zusammengeklebt werden.
– Salate: „All in One“ Salat von Barbara Rütting zubereitet,
Fenchel- Apfel- Salat mit Joghurt/ Sauerrahm- Dressing
Rote Beete- schwarzer Rettich, Meerrettich- Salat, Olivenöl, Kräutersalz
Zwei Teilnehmende belegten ein Blech, das zuvor mit Olivenöl, Meersalz und frischem Rosmarin vorbereitet wurde, mit groben Stücken von bekannten und unbekannten Gemüsesorten: Herbstrübe,
Pastinake, Haferwurz, Butternut Kürbis, Purple- Karotten usw. So konnten die Teilnehmenden anschließend den reinen Geschmack kosten, z. B. den süßlichen Geschmack der Herbstrübe und Pastinake,
den würzig- vollen Geschmack der Haferwurz und Schwarzwurzel, den aromatischen Fenchel, den knackig leicht scharfen Romanesco, den milden Blumenkohl.
Die eifrigen Teilnehmenden hatten in einer guten Stunde alle Gerichte zubereitet. Lasagne, Brötchen, Gemüsebleche und Bratlinge waren fertig für den Backofen. Die Suppen köchelten abgeschmeckt
auf dem Herd. Der große Tisch im Nebenraum wurde mit Salaten und Frischkorngericht gedeckt und gut gelaunt konnte das Mahl begonnen werden.
Während die Teilnehmenden das Gericht aus Keimlingen des Ur- Dinkel verspeisten, erwähnte Karin Depner, dass dieser ein Original- Dinkel ohne Einkreuzung von Weizen ist und eine sehr hohe
Qualität an Inhaltsstoffen aufweist, „die vergleichbar mit der Muttermilch ist“. Zur Verkostung folgte danach der Salat „all in one“ nach Barbara Rütting. Laut Karin Depner ist dieser eine gute
Möglichkeit, sich das ganze Jahr über täglich mit variationsreicher und schmackhafter Rohkost zu versorgen. Dazu wurden jeweils 2 Sorten Wurzelgemüse (z.B. Karotte, Rettich, Rote Beete,
Sellerie), Blattgemüse (Feldsalat, Chinakohl, Weiß- Blaukraut, Rosenkohl, Radicchio, Zuckerhut, Spitzkohl, Wirsing) und Fruchtgemüse (Kohlrabi, Fenchel, Paprika, Kürbis) ausgewählt. Harte
Gemüsesorten wurden fein geraspelt, weichere grob geschnitten oder geraspelt. Dazu gab es eine Salatsoße aus kaltgepresstem Öl, Essig, etwas Senf, Sahne oder Sauerrahm, und Kräutersalz. Nach
Belieben wurden auch Walnüsse, Sesam, Sonnenblumenkerne oder Kürbiskerne, geröstet oder roh, oben aufgestreut. „Auf bunte Farben soll geachtet werden, denn dann sind auch die Inhaltsstoffe
ausgewogen.“ sagte Karin Depner.
Als die Teilnehmenden um den Tisch saßen und die weiteren Gerichte der Reihe nach aufgetragen und verköstigt wurden, erzählte Karin Depner:
Die Vielfalt von 22 verschiedenen Gemüsesorten hat sie bei dem Bioland- Bauer Alfred Schaller aus Steudach, Erlangen, eingekauft. Dieser Hof ist 2 km von ihrem Wohnort entfernt. Mit ihm wurde vor
drei Jahren eine Solidarische Landwirtschaft aufgebaut. Der Bauer erntet dort, je nach Wetterlage und anderen Bedingungen etwa vier verschiedene Gemüsesorten in der Woche. Diese werden erntereif
an die Mitglieder aufgeteilt, die auch gerne krumme Möhren, kleine Kartoffeln und zu großes Weißkraut mit nach Hause nehmen. Auf Bestellung gibt es außerdem Kürbiskernöl, Kamut- Getreide, Eier,
Brot, etc., welches selbst abgewogen und in mitgebrachte Tüten, Körbe und Taschen abgefüllt wird. So wird der Bauer entlastet, die Umwelt von Verpackungsmüll geschont und die Kunden erhalten
erstklassiges und außergewöhnliches Gemüse.
Laut Karin Depner vergrößerte dieser Landwirt sein Angebot erst seit dieser Kooperation kontinuierlich. Inzwischen baut er 40 verschiedene Wintergemüsesorten an. Durch sein regelmäßiges und
sicheres Einkommen von den 140 Mitgliedern hat er wieder Freude an seiner Arbeit und experimentiert begeistert mit alten Gemüsesorten.
Karin Depner erklärt, dass diese Zusammenhänge verständlich werden, wenn man weiß, dass der Bauer, der mit Supermärkten und großen Verarbeitungsbetrieben (z. B. Hipp) zusammenarbeitet, einem
ständigen Preiskampf für seine hochwertigen Produkte ausgesetzt war. Seit die Bioprodukte mit dem „EU Biosiegel“ auf dem Markt sind, ist für ihn das Geschäft noch schwerer geworden, da seine
frische Ware ja dem Verfall ausgesetzt ist und er in einem bestimmten Zeitraum seine Ware verkaufen muss. Durch die Solidarischen Gemeinschaften mit direkten Handelsbeziehungen und persönlichem
Kontakt von Verbraucher und Erzeuger werden die Risiken der Ernteausfälle mitgetragen und der Bauern aus der Abhängigkeit von wenigen risikoarmen, gut lagerfähigen und lange verkäuflichen Sorten
befreit.
„Jetzt müssen wir wieder lernen, wie früher, aus den Gemüse der Jahreszeit zu kochen und neue Gemüsesorten auszuprobieren. Ich überlege nicht mehr, was möchte ich essen, und kaufe nach Rezept
ein, sondern die Ernte bestimmt den Speiseplan.“, sagte Karin Depner.
Ihr Vorschlag für die Teilnehmenden war: einfache Grundrezepte wie Quiche, Lasagne, Suppe, Gemüse- Getreidegericht (Reis-, Hafer-, Hirse) Aufläufe, mit dem jahreszeitlichen Gemüse zuzubereiten.
Weil sich der Speiseplan so im Laufe des Jahres verändere, entstehe für die Konsumenten ein großer Vorteil, nämlich eine Gesundheitsstärkung durch die richtigen Lebensmittel im
Jahresverlauf.
Die Wintergemüse wie schwarzer Rettich, Rote Beete, Meerrettich und andere Wurzelgemüse, Knoblauch, Kraut in allen Variationen, Sauerkraut stärken laut Karin Depner die Abwehrkräfte, fördern die
Blutbildung und helfen Infekte schnell wieder los zu werden. Im Frühjahr unterstützen Kräuter wie Bärlauch, Löwenzahn, Salate u.a. bei Entgiftung und Reinigung. Der Sommer mit allen frischen
Farben von Zucchini, Aubergine, Tomate, Kohlrabi und roten Beeren stärkt unseren Körper und gibt uns Kraft und Klarheit. Der Herbst bietet alles in Hülle und Fülle. Der kreativen Küche sind keine
Grenzen mehr gesetzt. Mit Gewürzen und Kräutern, mit Nüssen und Früchten stärken wir uns vor dem bevorstehenden Winter.
Karin Depner schloss ihre Erläuterungen mit der Botschaft von Benedikt Haerlin, der 2009 an dem internationalen Agrarbericht mitgearbeitet hat, mit der Frage:
Wie können wir in Zukunft die Welt ernähren?
Das Ergebnis war beeindruckend: 5 Jahre intensive weltweite Recherche ergab, dass nur die kleinräumige biologische Landwirtschaft in Zukunft in der Lage ist, die Welt mit vielfältigen regionalen
und saisonalen Lebensmitteln zu ernähren. Dazu ist es nötig, die Kleinbauern weltweit zu erhalten, zu stärken und ihnen den Zugang zu Land zu gewährleisten.